Pfusch am Bau
Eigentlich wohnen wir in einem sehr schönen Gründerzeitgebäude im vierten Wiener Gemeindebezirk. Es wurde einst als Miethaus „Zum Schlosserjungen“ in den Jahren 1891 bis 1892 errichtet. Der Architekt heißt Wilhelm Jelinek. Er hat unter anderem auch das Café Sperl in Gumpendorfer Straße geschaffen.
Das geht zumindest aus einigen wenigen Internetquellen hervor, etwa hier in einem Wikipedia-Eintrag oder im Architekt*innenlexikon. An einer Ecke des Hauses findet sich außerdem eine kleine Statue des Schlosserjungen, von der allerdings derzeit nicht allzu viel zu sehen ist.
Denn seit mittlerweile zwei Jahren verstellt ein Baugerüst den Anblick der Fassade und den Ausblick aus den Wohnungen. Auch der Innenhof ist nach wie vor eingerüstet und vor unseren Fenstern zur Straße ragt ein riesiger Kran in den Himmel. Grund dafür ist der Dachausbau, mit dem im Frühjahr 2022 begonnen wurde. Das Bauvorhaben bescherte uns Mieter:innen in der Folge vielerlei Ungemach.
Lärm, Staub und Löcher ...
Zum Beispiel war der Lärm bisweilen ohrenbetäubend, dies oft schon früh am Morgen. Immer wieder waren massive Erschütterungen zu spüren und das gesamte Gebäude schien zu wackeln. In den Wänden rieselte es, in einigen Wohnungen kam es zu Wassereintritten und Schimmelbildung, manchmal war die Staubentwicklung enorm und Lüften daher unmöglich. Vergangenes Jahr waren dann die Liftanlagen wochenlang außer Betrieb, was vor allem die älteren Nachbar:innen in den oberen Stockwerken vor große Hürden stellte. Außerdem wurden in unserem Stiegenhaus Abdeckkästen für neue Wasserleitungen montiert, genauer gesagt so amateurhaft hingepfuscht, dass Fensterstöcke zerstört wurden und jetzt Löcher im Mauerwerk klaffen.
Da unsere Lebens- und Wohnqualität schwer litt, haben wir uns mehrmals an die Hausverwaltung gewandt und auf die diversen Beeinträchtigungen hingewiesen. Letztlich konnten wir und die meisten Hausparteien eine Mietzinsminderung von 10 Prozent erwirken. Unterm Strich ein kleiner Ausgleich, gleichzeitig wurden ja unsere Richtwertmieten in den letzten beiden Jahren inflationsbedingt um rund 15 Prozent erhöht.
Stillstand und Pleite
Ursprünglich hatte uns die Hausverwaltung angekündigt, dass der Dachausbau voraussichtlich bis zur Kalenderwoche 35, also bis Ende August 2023, dauern wird. Dass dieser
Zeitplan nicht ganz eingehalten werden kann, haben wir schon vermutet. Der Aufbau der Dachwohnungen dürfte zwar abgeschlossen worden sein, doch ansonsten tut sich seit geraumer Zeit nicht viel.
Auf der Baustelle herrscht Stillstand, weil das beauftragte Bauunternehmen pleite ist. Wie wir zufällig aus einem Medienbericht erfuhren, hat die Firma im Dezember 2023 Insolvenz angemeldet und ihre
Tätigkeit eingestellt.
Also schrieben wir, die Hausparteien, Anfang des Jahres einmal mehr an die Hausverwaltung. Wir wollten uns erkundigen, wie es jetzt weitergeht, wann wir mit einem Abbau des Baugerüsts rechnen
können und welche Maßnahmen beabsichtigt sind, um die entstandenen Mängel im Haus zu beheben, auf die wir bereits früher aufmerksam gemacht hatten. Schließlich geht es bei der ganzen Sache längst
nicht mehr nur um den Dachausbau, sondern auch um eine nachhaltige Schädigung der Altbausubstanz, und die kann weder im Interesse der Mieterschaft noch im Interesse der Hauseigentümer sein.
Ein bisserl Benko ...
Apropos Eigentümer: Die Haus hat in seiner Geschichte schon mehrfach die Besitzer gewechselt. Vor dem Dachausbau wurde es wieder verkauft, vermutlich gewinnbringend. Erworben hat es eine Immobilien-Entwicklungsgesellschaft oberösterreichischer Unternehmer, vermutlich als Geldanlage, doch das ist eine andere Geschichte. Inwieweit sich die Eigentümer überhaupt für die Belange der Mieter:innen interessieren, können wir nicht beurteilen. Von der Hausverwaltung haben wir bis dato jedenfalls keine Antwort auf unser Schreiben erhalten und es wurden auch keine für uns erkennbaren Aktivitäten gesetzt. Der Kran steht nach wie vor verwaist in der Gasse, rundherum wirkt alles etwas vernachlässigt und am Bauzaun vor unserem schönen Gründerzeithaus flattert einsam ein Plakatfetzen mit dem Konterfei von René Benko im Wind ...
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